BVBB Bürgerverein Berlin Brandenburg e.V.

Na, da hat die Redaktion der MAZ am Freitag, dem 13. 1. 2012, schon wieder einen Volltreffer erzielt – und wie Recht sie hat, denn Fluglärm ist, wie ich ihr bereits kürzlich mitgeteilt habe, eine Lärmkategorie und Staubsauger sind Haushaltsgeräte. Einen derartigen, unzulässigen Vergleich hatte sie sicher nicht gemeint, sondern eher die Tatsache, dass „Fluglärm nur schwer mit Staubsaugerlärm vergleichbar ist“ - - - womit sie vollkommen Recht hätte.

Neu ist, dass sich die Redaktion entschuldigt hat, weil sie sich in der Wahl der komplizierten Fachtermini doch wohl mehrfach vertan hat; aber das heutige Beispiel zeigt, dass sie sich auch wieder gedankenlos auf dieses Sprach- und Fachchinesisch-Glatteis begeben hat.


Staubsauger verursachen während ihrer Benutzung – z. B. einmal pro Tag für  - sagen wir - 30 Minuten bei einem zulässigen Schallpegel von ca. 75 dB(A) in 1m-Abstand, also am Ohr des Bedieners – einen Tagesdauerschallpegel (gemittelt über 16 Stunden) von ca. 60 dB(A).

Das ist – sicher nicht vermutet – eine ganz schön hohe Lärmbelastung in Form einer Lärmdosis, die sich der Benutzer eines derartigen Haushaltgerätes im Mittel so zumutet. Diese Belastung reduziert sich zwar auf 57 dB(A), wenn man nur alle zwei Tage staubsaugen würde und sogar auf 51,5 dB(A), wenn man nur einmal in der Woche seinem Reinlichkeitsbedürfnis nachgehen würde.

Beachtenswert ist aber, dass dieser Wert als Fluglärm-Dauerschallpegel am Tage schon die zulässige Grenze erreicht, die die Lärmwissenschaften dem menschlichen Organismus maximal zumutet, um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Schäden sowie negative Beeinträchtigungen der Lebensqualität zu vermeiden.

Die selbst verursachte Lärmbelastung erträgt man trotzdem relativ gut, weil man während der damit verbundenen aktiven Tätigkeit mit anderen Problemen beschäftigt ist und den Lärm als notwendiges Übel ansieht, weil man ihn ja nur relativ kurzzeitig ertragen muss.

Der nicht direkt wahrnehmbare Dauerschallpegel wäre hier also bei täglicher Benutzung etwa 15 dB(A) geringer als der während der Benutzung etwa konstante, wahrnehmbare Maximalschallpegel von besagten 75 dB(A).

Den gleichen Wert 60 dB(A) des Dauerschallpegels würde man angenähert nachbilden können, wenn man den gleichen Staubsauger etwa 5,6m von dem gemütlichen Sitzplatz auf der Terrasse entfernt stationieren und den ganzen Tag, also 16 Stunden lang eingeschaltet lassen würde – sicherlich eine Vorstellung, die an Gemütlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, wenn man auf dieser Terrasse seine Entspannung zu suchen gedenkt.

Sicher ist, dass eine derartige, nunmehr direkt wahrnehmbare Dauerbelastung gleicher Lärmdosis nicht zu ertragen wäre, obgleich sie durch die gleiche Lärmquelle verursacht werden würde, eine Tatsache, die unterstreicht, das Lärm nicht einfach nur mit Hilfe physikalischer Größen bewertet werden darf, sondern auch andere, wie z.B. psychische Moderatoren für deren Wirkung maßgebend sind.

Besonders problematisch ist dabei der Vergleich der Lärmwirkungen, die durch grundsätzlich unterschiedliche Schallquellen verursacht werden.

Hierzu gehört nun auch insbesondere der Fluglärm, der schon deshalb nicht mit Staubsaugerlärm vergleichbar ist, weil er – gewissermaßen impulsartig – während einer relativ geringen Dauer mit einem sehr hohen Maximalschaltpegel in Erscheinung tritt und bezüglich seines Momentan-schallpegels zeitlich relativ rasch anschwillt und dann – nach dem Überschreiten des Zeitpunktes, an dem der Maximalschallpegel auftritt -  auch wieder relativ rasch abklingt, bis er im allgemeinen Umgebungsgeräusch „untergeht“.

Eine derartige Lärmbelastung wirkt aggressiver auf das menschliche Gemüt, als ein relativ konstantes Schallpegel-Ereignis, wie es in den besagten 30 Minuten täglich bei der Staubsaugernutzung der Fall wäre.

Geht man auch hier von einem Fluglärm-Maximalschallpegel von 75 dB(A) und einer effektiven Einwirkungsdauer von z.B. nur 30 Sekunden während eines Überflugs aus, wie das für die häufigsten Flugbewegungen von Starts oder Landungen der Gruppe S5.2 (A320, A319, A321, B737-300 bis B737-800, B757-200) in einer Entfernung von ca. 9 km vom Flugbahnbezugspunkt (Mitte der Start- bzw.Landebahn) genau unter der Flugbahn der Fall wäre, würde das einen Tagesdauerschallpegel von etwa 42,2 dB(A) zur Folge haben. Erst etwa 60 derartige Flugbewe-gungen in den 16 Tagesstunden würden den gleichen Dauerschallpegel von ca. 60 dB(A) zur Folge haben, also etwa durchschnittlich 4 derartige Ereignisse pro Stunde erfordern.

Jeder einzelne, relativ kurzzeitig wirksame Überflug verursacht aber bei der angegebenen Häufigkeit Stress und ist deshalb bezüglich der daraus resultierenden Belastung und Belästigung schlimmer zu bewerten, als ein einmal am Tage stattfindender Staubsaugerlauf, obgleich der „Durchschnittswert“ in Form des Dauerschallpegels dieser Ereignisfolge   und der einmaligen Staubsaugernutzung – allerdings mit einer 60 mal längeren Einwirkungsdauer - in beiden Fällen gleich hoch ausfällt aber – was das Wesentliche überhaupt ist - nicht direkt wahrgenommen wird.

Man hört den Dauerschallpegel als Maß für die Belastung des Organis-mus nicht. Er ist eine rein rechnerische Vergleichsgröße, die lärmphysio-logisch als Lärmdosis – in gewissem Sinne vergleichbar mit einer Strahlungsdosis - vom Organismus gespeichert, akkumuliert wird und nur im Unterbewusstsein wirkt und deshalb – bei er Überschreitung spezifischer Grenzwerte – gesundheitsschädigende Wirkungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und andere Schädigungen unbemerkt nach sich ziehen kann.

Die Häufigkeit des Auftretens sehr hoher, kurzzeitig wirksamer Maximal-schallpegel bestimmt dagegen die Belästigungswirkung des impuls-artigen Schalls durch Aufweckreaktionen im Schlaf bzw. Kommunikationsstörungen bei Gesprächen oder Informationsstörungen z.B. beim Fernsehen usw. und wird daher unangenehmer empfunden, als eine einmalige Nutzung eines Staubsaugers, selbst wenn dessen Betriebsdauer wesentlich länger ausfällt, als die in Summe gleichlange wirksame Überflugdauer aller 60 Flugereignisse zusammen.

Ein wesentlicher Unterschied der Lärmwirkung beider beschriebenen Ereignisarten ist auch durch die unterschiedlichen Frequenzspektren bedingt.

Fluglärm enthält hochgradig tief- und niedrigfrequente Schallleistungsanteile unter 1000 Hz, die durch die heutzutage übliche A-Bewertung (Unterdrückung der tieffrequenten Schallpegelanteile durch Filterung der Messwerte) besonders bei hohen Schalldruckpegelwerten im Vergleich mit den Gehöreigenschaften des Menschen zu stark unterdrückt werden.

Eine gehörgerechte Bewertung durch Filterung der insbesondere niedrig-frequenten Spektralanteile des Fluglärms würde nach neueren Erkennt-nissen der Lärmwirkungsforschung mit Hilfe der C-Bewertung möglich sein, bei der auf die Unterdrückung der für Fluglärm maßgebenden niedrigfrequenten Spektralanteile während des Messvorgangs durch entsprechende Filterung verzichtet wird. Der so gemessene Schallpegel würde dadurch (z.B. am oben genannten Beobachtungsort für Flugzeuge der Gruppe S5.2) ohne weiteres bei Starts um bis zu 7 dB(C) und bei Landungen um bis zu 4 dB(C) - höher als der entsprechende Abewertete Schallpegel gemessen werden und demnach unter unveränderten Schalleinwirkungsbedingungen eine entsprechend höhere Belastungs- bzw. Belästigungswirkung signalisieren.

Schlussfolgerung: Es ist praktisch nicht möglich, allein mit einem Pegelvergleich Flug- und Staubsaugerlärm – aber auch andere Lärmarten, wie z.B. Straßen- oder Schienenlärm – zu vergleichen.

Deshalb gibt es auch bis jetzt kein unumstrittenes Berechnungsverfahren, um z.B. die komplexe Wirkung von Straßen-, Schienen- und Fluglärm auf den Menschen an einem beliebigen Immissionsort summarisch, gehörrichtig zu bewerten.

Mit dieser kleinen Exkursion in die Problematik der Schallwirkungen sollte versucht werden, dem Leser und auch dem „Schreiber“ – ohne hochtrabende mathematische Formeln und Ableitungen – die bestehenden Zusammenhänge zu erläutern und dadurch verständlicher zu machen.