BVBB Bürgerverein Berlin Brandenburg e.V.

- Offener Brief -

 

Umweltbundesamt
Präsident Jochen Flasbarth
Postfach 1406
06813 Dessau-Roßlau

Blankenfelde, 2011-07-23

Nachtflug – Flugrouten – Angriffe gegen Präsident und Amt


Sehr geehrter Herr Präsident,

im Namen und im Auftrag des anerkannten Umweltverbandes Bürgerverein Brandenburg Berlin e. V. (BVBB) bringe ich unser Entsetzen zu den Angriffen zum Ausdruck, die die Luftverkehrswirtschaft gegen Sie und das Bundesumweltamt in Szene setzt.
Praktisch alle 3500 unserer Mitglieder, ihre Familien, sind und werden mit Inbetriebnahme des BBI/BER Berlin-Schönefeld einer Fluglärmbelastung von über 55 (A) ausgesetzt. Nicht genug, zu den Betroffenen (§2 Fluglärmschutzgesetz) müssen noch weit über 100 000 weitere Anwohner unter dem erwarteten Fluglärmteppich leben. Schamlos wird seit Monaten die Hoffnung verbreitet, dass diese Betroffenen durch „richtige Flugrouten“ dem Fluglärm entrinnen können.

Wir kennen auch die Folgen des Fluglärms nach 22:00 Uhr und in den frühen Morgenzeiten, nach 5:00 Uhr, auf Grund der aktuellen durchgehenden Nachtfluggenehmigung Flughafen Schönefeld.  Wir wissen, dass sich nach Inbetriebnahme BBI/BER dieser Fluglärm vervielfacht und im erg. Planfeststellungsbeschluss „Nachtflug BBI“ die Zeit zwischen 22:00 Uhr und 0:00 Uhr und 5:00 und 6:00 Uhr mit genehmigten bis zu 113 Flügen zur Hauptflugzeit werden soll.

Über 30 private Kläger, deren Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) der BVBB finanziert hat, erwarten nun stellvertretend für weit über 100 000 Betroffene nach dem 21. Sept. 2011 die Entscheidung des BVerwG zu dieser Nachtflugentscheidung im Planfeststellungsbeschluss.

Die Angriffe die gegen Sie wegen Ihrer konsequenten Nachtflugverbotsforderung durch die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen“(ADV) geführt werden, sollen auch dem 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes signalisieren, was Politik und Lobby vom Gericht erwarten. (Prüfen Sie doch bitte, wer in der ADV das Sagen hat und wie auch Genehmigungsbehörden qua Assoziation oder Mitgliedschaft mit dieser Lobbyorganisation verquickt sind).

Leider hat das Bundesverwaltungsgericht schon in vergangenen Entscheidungen erkennen lassen, wie hoch es Flugrechte gegenüber Grundrechten einordnet. Auch in Nachtflugentscheidungen begründet das Gericht immer mehr oder weniger offen, das der Markt den Nachtflug benötige. Nur, weder das Gericht noch die Flugbetriebswirtschaft konnten bis heute nachweisen, dass es tatsächlich einen unabdingbaren Bedarf für Nachtflüge gibt. Wo ist die Kundschaft, die nach Nachtflügen ruft, sie will? Es gibt nur Flugzeuge, die aus wirtschaftlichen Gründen auch nachts fliegen sollen. Zu diesem Zweck werden Kunden als Passagiere, auch mit Unterstützung von Reiseveranstaltern zwangsrekrutiert. So begründet sich der „Nachtflugbedarf“ entgegen allen ordnungspolitischen Grundlagen des Systems der sozialen Marktwirtschaft.

Offensichtlich haben Sie bei ihrer Forderung nach Nachtflugverboten diese Fakten, Belastungen und ihre Folgen im Auge, Dafür sind wir Ihnen dankbar weil Ihr Haus so auch demonstriert, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit über wirtschaftlichen Zwecken steht, die vom Grundgesetz nicht gedeckt sind.

Ihnen ist bekannt, Sie werden demnächst im Verfahren damit befasst, dass zur Inbetriebnahme des  BBI/BER von der DFS Flugrouten zur Genehmigung vorgelegt werden. Wir haben aus der politischen Diskussion und den Beratungsergebnissen der FLK gelernt, dass die DFS offensichtlich bei der Routenfestlegung auf politischen Druck reagiert hat. Dies wird besonders deutlich bei der Festlegung der Routen, die von der Nordbahn ausgehen. Einerseits argumentiert die DFS, dass für östliche An– und Abflüge eine Route festgelegt wurde, die eine Doppelbelastung (An– und Abflüge) der Region Erkner verhindert. Andererseits nimmt die DFS ausgerechnet für die Gemeindeflächen Blankenfelde Mahlow (25 000 höchstbetroffene Einwohner) diese Doppelbelastung in Kauf, um eine Lärmbelästigung südlicher Berliner Bezirke im Sinne des Berliner Senates auszuschließen. Mit dieser aktuellen Festlegung weicht die DFS auch ihrer ursprünglichen Planung auf. Weil der BVBB diese nun aktuelle Planung als willkürliche politische Routenplanung einordnet, wird er eine Verordnung, die diese Planung zur Grundlage hat, auf dem Rechtsweg angreifen. Darüber möchte ich Sie hiermit vorab informieren.

Sehr geehrter Herr Präsident, was die verantwortlichen Politiker mit dieser Standortentscheidung angezettelt haben ist, um den früheren Ministerpräsidenten Stolpe zu zitieren, „unmenschlich“. Wir können zurzeit feststellen, was es bedeutet, wenn sensible Einrichtungen, z. B. in Blankenfelde Mahlow, zu Akustikkäfigen umgewandelt werden. Es ist wirklich furchtbar, wie Kinder aller Altersklassen unter Bedingungen summender Zwangsbelüftungsgeräte, bei geschlossenen Schallschutzfenstern und mit künstlich befeuchteter Luft spielen dürfen oder unterwiesen werden. In den Pausen gibt es dann die Zwangsentlüftung zur Beseitigung eines zu hohen CO2–Gehaltes und im Außenbereich praktisch alle zwei Minuten Fluglärm von Flugzeugen die zwischen 230 m und 350 m die Region überfliegen. Auch für diese Kinder (ca. 6000 einer jeden Generation) soll es, so die Vorstellung  von Nachtflugbefürwortern, innerhalb von 24 Stunden, an 365 Tagen im Jahr, keine Erholungsphasen vom Fluglärm geben. Da fragt der BVBB darum immer wieder, in welcher Republik leben wir, in der so etwas möglich ist.

Was es auch für Erwachsene bedeutet und welche  gesundheitlichen Folgen durch  Fluglärmbelastung registriert werden müssen, ist durch die entsprechende Studie  aus ihrem Hause (Greiser Studie) hinreichend bekannt. Uns hat die Reaktion von Politik und Flugbetriebswirtschaft auf die Ergebnisse dieser Studie  nicht überrascht. Bedingt durch die tägliche Auseinandersetzung haben wir ausreichende Erfahrung mit den Prioritäten, die für „verantwortliche Politiker“ im Handeln ausschlaggebend sind. Umso dankbarer sind wir, wenn Sie und ihr Umweltbundesamt an der Sache orientiert argumentieren und Stellung beziehen.

Der BVBB weiß, dass die jetzt diskutierte Fluglärmbelastung, mit ca. 250 000 Flügen/Jahr erst der Anfang einer Kapazitätsnutzung von bis zu 550 000 Flugbewegungen ist. Weder die Anfangsbelastung, noch die mögliche Endbelastung sind raumverträglich und einer immer größeren Zahl von Betroffenen zumutbar. Dabei wollen wir die Fragen der Umweltverschmutzung dieses Flugbetriebes und der Absturzrisiken an dieser Stelle nicht thematisieren. Sie wissen, was hier an Verbrennungsrückständen auf die betroffenen Menschen und die Natur zukommt.

Wegen der unerträglichen Perspektive aus den Folgen der heute selbst von allen Verantwortungsträgern nicht mehr bestrittenen Standortfehlentscheidung kann es nur einen sachgerechten Schluss gegen: Dieser Standort kann für die Region Berlin Brandenburg nur noch eine vorübergehende Lösung sein. In diesem Sinne hat der BVBB ein Konzept „Zentralflughafen für Deutschland – Nachnutzung BBI Schönefeld“ entwickelt (http://www.bvbb-ev.de/index.php/de/bbi-nachnutzungskonzept-zentralflughafen-fuer-deutschland.html). Dieses Konzept kann bei Umsetzung auch einen Beitrag zur Entlastung anderer deutscher Flughäfen leisten.

Gerne sind wir bereit, wenn Sie es wünschen, aus unseren praktischen Erfahrungen zu berichten und Ihnen und Ihren Mitarbeitern unser Konzept zu präsentieren.

Mit freundlichen Grüßen



Astrid Bothe
Vorsitzende